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Leitfaden Trennung mit Kind(ern)

Die Zahl derjenigen Elternpaare oder Elternteile, die sich mit dem Gedanken an eine Trennung tragen und einen Überblick darüber brauchen, was – außerhalb des Rechtlichen – zu bedenken ist, nimmt in meiner Praxis zu.

Es ist also höchste Zeit, einen Leitfaden zu verschriftlichen, der Gedankenanstöße und Impulse geben soll.“

 

1. Klarheit als Entscheidungsgrundlage

Trennung steht manchmal auch deshalb im Raum, weil andere Lösungsstrategien wirkungslos erscheinen. Vielleicht hat Entfremdung auf Paarebene stattgefunden, allerdings funktioniert das Familienleben gut. Möglicherweise ist es eine Lebens- und/oder Paarbeziehungsphase, die auch wieder vorbeigeht. Vielleicht sind die Kinder klein, es gibt einen Angehörigen on top zu pflegen, ein Elternteil macht Karriere, an dem anderen bleiben Kinder, Haushalt und die Organisation des Soziallebens hängen.

Ich erlebe nicht selten, dass die Idee, sich gedanklich mit der Option Trennung auseinanderzusetzen, auch eine Bestandsaufnahme der ganzen Alltagsschwierigkeiten ist. Die Komplexität, die mit Kindern in ein Familienleben einzieht, stellt eine Paarbeziehung und ein Ich-Erleben außerhalb von Kind(ern), Partner:in und Familie hinten an. Häufig bleibt noch nicht mal genug Zeit, (konstruktiv) zu diskutieren oder zu streiten.

Manchmal braucht es neben dieser Bestandsaufnahme all dessen, was man nicht mehr haben möchte, vor allem einen Blick auf das Fundament. Im übertragenen Sinne: Wenn es keine Alltagsschwierigkeiten geben würde, welche Gefühle hätten dann Raum, sich zu zeigen?

Das ist sicherlich keine Antwort, die Menschen mal eben so aus dem Ärmel schütteln, insbesondere dann nicht, wenn der gefühlte Abstand zu Paarbeziehung groß ist.

Ich merke allerdings in der Beratung, wenn Menschen den wichtigsten Schritt für eine Trennung noch nicht gemacht haben, nämlich den, eine Entscheidung zu treffen.

Es braucht Klarheit für den Abschied von einem Lebensmodell, für die Kommunikation im Innen und im Außen, die nächsten Schritte und die Gestaltung einer Nachtrennungszeit, die für gemeinsame Kinder so wichtig ist.

 

2. Überblick ist Gold wert

Hier kommt ein ganz pragmatischer Ansatz von mir in Form von einigen Fragestellungen:

  • Mein Warum?
  • Welche Betreuungs-/Umgangsmodelle gibt es?
  • Welches Modell in Bezug auf die Betreuung der Kinder könnte das Richtige sein?
  • Welche finanziellen Möglichkeiten habe ich / haben wir?
  • Welche finanziellen Themen gilt es auseinanderzusortieren?
  • Wie verändert sich die Wohnsituation?
  • Zu wann wäre eine veränderte Wohnsituation wünschenswert?
  • Mit welcher Reaktion auf die Trennungsabsicht ist seitens des anderen Elternteils zu rechnen?
  • Aufstellung der Themen, die eine juristische Beratung/Klärung benötigen?
  • Muss oder kann die eigene Arbeitssituation angepasst werden (muss aus finanzieller Sicht, kann, weil vielleicht Freiräume entstehen durch die Trennung)
  • Gibt es Themen, die nach Trennung – außerhalb der Kinder – Bestand haben sollen? (Gemeinsame Firma? Gemeinsame Ferienimmobilie? etc.)
  • Betreuungs- und Alltagsplanung für die Zeit unter einem Dach nach Ausspruch der Trennung

 

3. Kommunikation

Die Trennung auszusprechen, ist sicherlich kein leichter Schritt, egal unter welchen Umständen. Aus meiner Sicht – sobald es eine Klarheit gibt, dass das der Weg ist – sollte das Gespräch nicht auf die lange Bank geschoben werden. Es geht weniger darum, die absolut perfekten Worte dafür zu finden, als vielmehr einen angemessenen Rahmen zu schaffen. Für das Gespräch braucht es Ruhe, also nicht zwischendurch, nicht als Generalabrechnung nach einem Konflikt oder wenn die Kinder im Nebenzimmer spielen. Vielleicht verschafft der Gedanke, dass es erst einmal nur um das WAS? – also die Trennung – gehen kann, Entlastung. Bedeutet, dass es in dem Gespräch um die Entscheidung und den Trennungswunsch geht, Raum für Reaktion und Gefühl da ist und das WIE? – Was sind die nächsten Schritte – in einem nachgeordneten Gespräch stattfinden.

 

4. Kinder mitnehmen

Ich werde immer wieder gefragt, ab wann und wie man Kinder in einem Trennungsprozess mitnehmen sollte.

Kinder erspüren in der Regel jede emotionale Belastung der Eltern und deshalb ist auch wichtig, sie hier so frühzeitig wie möglich mitzunehmen. Einfache Worte, je nach Alter, reichen in der Regel fürs Erste, also z.B.: „Unsere Gefühle füreinander haben sich verändert. Wir mögen einander noch, aber lieben uns nicht mehr. Deshalb trennen wir uns. Wir bleiben eine Familie und Eure Eltern, die an Eure Seite bleiben und Euch weiterhin begleiten.“

Ein Satz der von Eltern häufig nachgeschoben wird, lautet: „Für Euch wird sich nichts verändern!“.

Ich empfehle immer, auf diesen Satz zu verzichten, denn er stimmt für Kinder – egal wie gut Eltern die Trennung gestalten – einfach nicht. Für die Welt eines Kindes verändert sich viel, manchmal alles, wenn Eltern sich trennen. Von der Schlafsituation, bis zu den Kosmetikutensilien im Badezimmer hin zum veränderten Lebensmitteleinkauf. Für erwachsene Menschen mag das nichts sein, für Kinder ist das der Inhalt ihrer Welt, den sie bis zur Trennung kennen.

Mit Aufrichtigkeit kommt man in der Regel bei Kindern immer weit: „Wisst Ihr, wir wissen auch noch nicht so genau, wie unser aller Leben in Zukunft aussieht, aber wir wollen an vielem, was uns als Familie ausmacht festhalten, zB. Geburtstage zusammen feiern oder gemeinsam zu Euren Kita-/Schulveranstaltungen kommen, oder oder.“

Für Kinder ist am allerwichtigsten, ein verlässliches Leuchten ihrer Leuchttürme wahrzunehmen. Diese stehen vielleicht zukünftig nicht mehr so nah beieinander, dass sie beide im Blick haben, aber sie leuchten, genauso wie vorher und damit das so funktioniert, heißt die wichtigste Aufgabe für Eltern: Kommunikation, Abstimmung und das Zurückstellen von eigenen Befindlichkeiten. Für Kinder ist es wahnsinnig schwierig, wenn sie merken, dass Elternteile nicht miteinander können und entweder verdeckt oder offen den anderen Elternteil schlecht machen. Sie kapseln dann ihre Gefühle für denjenigen bei dem sie gerade nicht sind, ab.

In der Übersetzung: Sie haben keine Erlaubnis mit dem Elternteil, was von dem anderen abgelehnt wird, zu sein. Sie kommen in Not, sich beiden gegenüber loyal zu zeigen und geraten in einen Konflikt. Lösungsideen von Kindern sind dann häufig: Genauso schlecht über den anderen zu sprechen, sich zu verweigern usw.

Ich möchte an dieser Stelle einmal ausdrücklich erwähnen, dass Trennungen in einer hochkonflikthaften und/oder einer gewaltvollen Beziehung einen anderen Ablauf haben und es hier auch ganz klar um völlig andere Dinge geht! Dieser Leitfaden ist für Eltern, die hinter ihre Beziehung einen Schlusspunkt setzen und im Grundtenor ein gemeinsames (!) Ziel haben, nämlich ihre Kinder GEMEINSAM weiterhin gut zu begleiten.

5. Kommunikation im Außen

Mit Blick auf Kinder finde ich es immer wichtig, die Herkunftsfamilien, Paten und Freund:innen mitzunehmen. Weniger im Sinne von, weil es so „muss“, als vielmehr um eine entlastende Situation für die Kinder entstehen zu lassen, die sich bei gleichzeitigem Kenntnisstand ihres wichtigsten Umfeldes auch an andere Menschen wenden können, ohne Gefahr zu laufen, „Familiengeheimnisse“ auszuplaudern.

6. Trennungsprozesse sind immer auch Trauerprozesse

Erwachsene Personen, die sich mit der Trennung auseinandersetzen, durchlaufen automatisch schon einen Trauerprozess und stehen an einem anderen Punkt als das Gegenüber, dem es vielleicht erst noch mitgeteilt werden muss oder die Kinder, die erst im neuen Alltag begreifen, dass ein neuer Lebensabschnitt begonnen hat.

Ich möchte für diesen Aspekt einmal die Aufmerksamkeit schärfen: Prozesse laufen in Familiensystemen selten parallel, sondern regelhaft versetzt und individuell im Erleben. Nur weil ein Gegenüber möglicherweise völlig anders reagiert, als man selbst es tun würde, heißt es nicht, dass das Gefühl im Grundsatz nicht das gleiche sein kann.

Kinder erleben neben Trauer auch noch mächtig viel Entwicklung. Es ist also nicht alles, was sie zeigen, auf Trauer oder Trennung zu schieben – manchmal liegt es aber schlicht an Entwicklung, oder umgekehrt.

 Trauer und Abschied gehen neben Wut, Ärger, Sorgen, auch häufig mit Erleichterung, Vorfreude und Dankbarkeit einher.

 

7. Zu guter Letzt

Wenn Sie das Gefühl haben, nachdem Sie nun bis hierher gelesen haben, dass es gut wäre, sich begleiten zu lassen bis sich ein wenig mehr Trittfestigkeit eingestellt hat, dann melden Sie sich.

Begleitung heißt vielleicht nicht unbedingt schmerzfrei und leicht, aber möglicherweise bewusster reguliert.