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Selbstwirksamkeit durch Fragen 

Aus meinem Kollegenkreis hat jemand vor vielen Jahren mal ganz beiläufig etwas fallen lassen: „Man braucht in einem guten Beratungsprozess keine unglaublich aufwändigen Methoden, sondern in aller erster Linie ein Händchen für richtig gute Fragen!“

Und darum soll es in diesem Beitrag gehen. Richtig gute Fragen sind wirksam und bedeuten Perspektivwechsel, bestenfalls einen Ausweg aus Sackgassen. Etwas, das kein Hexenwerk ist und sogar richtig Spaß machen kann. 

Was bedeutet wirksames Fragen?

Ich gebe ein Beispiel. Zwei Menschen streiten in regelmäßigen Abständen immer in der gleichen Intensität, bei gleicher Ermüdung und ähnlicher Frustration. Gelöst wird nichts, stattdessen entfernen sie sich ob der Verletzungen voneinander. Alle Versuche, sich vorzeitig aus einer ankündigenden Eskalationsspirale zu befreien, scheitern. Eine andere Lösungsstrategie fällt ihnen möglicherweise nicht ein. Dennoch versuchen sie, etwas neues zu entwickeln. Sie hatten vereinbart, dass bei Erkennen eines sich anbahnenden Streits, Mechanismen eingebaut werden, die sie daran erinnern sollten, dass sie auch entscheiden könnten, nicht zu streiten. Über diesen Plan kommen sie nicht hinaus. In jeder sich ankündigenden Situation sind sie scheinbar Geiseln ihrer Umstände.

Sie wurden dann gefragt, worüber sie sprechen würden, wenn sie nicht mehr streiten würden. Welches wären die Themen, mit denen sie sich beschäftigen könnten?

Beide erkannten, dass ihr Streit eine Funktion für sie hat. Sie brauchten diesen Streit, um über etwas, was sie viele Jahre zuvor gemeinsam erlebt hatten, nicht sprechen zu müssen.

Die Wirksamkeit in diesem Zusammenhang bedeutet, das Symptom (Konflikte) durch das Aufdecken des eigentlichen Themas wirkungslos werden zu lassen.

Lassen sich gute Fragen lernen?

Definitiv.

Bevor sich gute Fragen zu einer Situation finden lassen, braucht es erst einmal ein Verständnis für die Situation, für das Problem, für den Konflikt oder oder. Verständnis lässt sich über das Zuhören erreichen. Jemand anderem zuzuhören, bedeutet sich selbst leer zu machen und sich in die Situation des Gegenübers einzufühlen. Vielleicht kennen Sie das, Sie erzählen Ihrem Freundeskreis eine Situation und meistens reihen sich die ersten Stimmen schnell ein: „Kenne ich. Ist das Schlimmste, was einem passieren kann.“ oder „Bei mir war das auch so. Also, ich war vor einiger Zeit an diesem Ort und dann ist das passiert.“ Die Menschen sind dann mehr bei sich und ihren Erfahrungen und vergessen darüber, zuzuhören. Sie glauben, zu wissen, wie es dem Gegenüber geht. Das meine ich mit „leer machen“. Wenn wir weggehen von unserem Erfahrungen und mit unserer Präsenz des Verstehenwollens beim Gegenüber sind, finden wir in der Regel sehr schnell die richtig guten und weiterführenden Fragen. Natürlich ist das in Konfliktsituationen potenziert um die eigenen Emotionen leichter gewollt als getan. Es lohnt sich dennoch hier ein Übungsfeld zu entwickeln, denn Konflikte verlieren häufig an Kraft, wenn ein echtes Interesse an einem „Wie geht es Dir gerade?“ entsteht.

Unterschiedliche Frage-Techniken

Die Art zu fragen, unterliegt unterschiedlichster Techniken. Manche davon fühlen sich flüssiger an, andere brauchen ein wenig mehr Übung.

Zirkuläre Fragen 

gehen weg von dem Du und Ich im Jetzt, hin zu einer dritten oder vierten Person oder einem jüngeren oder älterem Ich:

  • Was glaubst Du, würde uns ein_e Paartherapeut_in raten?
  • Wie haben wohl unsere Großeltern derartige Konflikte gelöst?
  • Land A und B sind genauso unterschiedlich wie wir und es gelingt ihnen trotzdem, nicht ständig zu streiten, Woran könnte das liegen?
  • Mal angenommen, Du könntest Dir in 30 Jahren begegnen, was würdest Du über die Situation denken?

Paradoxe Fragen 

kitzeln das „Hä? Wie jetzt?“ aus unserem Gegenüber:

  • Was müsste passieren, damit wir jetzt sofort anfangen, zu tanzen, statt weiter zu streiten?
  • Wie würde sich unser Streit verändern, wenn wir die Rollen tauschen?
  • Mit wem von Deinen Liebsten würdest Du streiten, wenn ich mich entscheide, gar nicht mehr mit Dir zu streiten?

Wunderfragen 

entlasten sofort und verkleinern den Raum des aktuellen Erlebens:

  • Heute Nacht passiert das Wunder, von dem Du immer geträumt hast. Worüber würdest Du Dir nie wieder Gedanken machen?
  • Stell Dir vor, Du hättest einen Wunsch frei in Deiner jetzigen Situation, was würdest Du Dir wünschen?
  • Stell Dir vor, der intelligenteste Teil von uns würde uns verhexen und uns zum Streiten nur noch 10 Minuten in der Woche übrig lassen. Worüber würden wir dann streiten?

Ressourcenorientierte Fragen 

lenken den Fokus auf die Kompetenzen, Fähigkeiten, Talente:

  • Was hat Dir beim letzten Mal geholfen, den Streit mit Deiner Schwester zu beenden?
  • Stell Dir vor, dass Du für die Lösung Deines Problems, etwas aus dem Lauftraining nutzen könntest. Was wäre das?
  • Für was hast Du früher in der Schule immer die gleiche positive Rückmeldung bekommen?
  • Lass uns das Problem behandeln wie einen Deiner Patient_innen: Wo bei dem Problem brauchen wir Pflaster, wo Medikamente, wo einen Gips und wo Schlaf und Erholung?

Skalierungsfragen

bestimmen die Größe der Sache:

  • Auf einer Skala von 1 – 10, 10 ist höchste Erledigungspriorität, wie dringend müssen wir unseren Konflikt klären oder brauchen eine Lösung?
  • Auf einer Skala 1 – 10, 1 ist die kleinste Eskalationsstufe, wo stehst Du gerade und was müsste passieren, um EINEN Schritt in Richtung Deeskalation, also in Richtung 1 zu gehen?


Ich hoffe, ich kann Sie ein wenig anstiften, die eine oder andere Fragetechnik einmal auszuprobieren und einen neuen Blickwinkel auf eine vermeintliche Sackgasse zu gewinnen. 

Trotz aller Versuche noch keine Frage gefunden, die weiter führt? Zögern Sie nich, sprechen Sie mich gern an. Manchmal geht es eben – siehe Beispiel oben – auch weniger um die lösungsorientierten Fragen, als vielmehr der Funktion eines Konfliktes, Problemes etc. auf die Schliche zu kommen.